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Grundwissen

Redoxreaktionen im historischen Kontext

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Redoxreaktionen stellen ein zentrales Konzept für die Chemie dar.  
  • Im Verlauf der Geschichte haben sich verschiedene Definitionen für Redoxreaktionen entwickelt. 
  • Laut früheren Definitionen ist die Oxidation eine Reaktion mit Sauerstoff.  
  • Unter einer Reduktion wurden in vergangenen Jahrhunderten Reaktionen verstanden, bei denen Metalle aus ihren Verbindungen zurückgewonnen wurden. Erst mit der Entdeckung des Elektrons hat sich unsere heutige Vorstellung von Redoxreaktionen als Elektronenübergang entwickelt. 
  • Vergangene wissenschaftliche Vorstellungen sind in den meisten Fällen nicht falsch, sondern lediglich weniger allgemeingültig. 
böhringer friedrich, CC BY-SA 3.0 AT, via Wikimedia Commons
Abb. 1 Schwedenfeuer

Redoxreaktionen gehören zu den zentralen Reaktionen in der Chemie, mit der wir zahlreiche Vorgänge in der Natur beschreiben: von Verbrennungen (Abb. 1), Atmungsprozessen und Photosynthese bis zu Rosten, Elektrolysen oder der alkoholischen Gärung. Viele dieser Prozesse haben etwas mit Sauerstoff zu tun und auch in der Geschichte wurden Redoxreaktionen mit dem Element Sauerstoff in Verbindung gebracht. Heutzutage definieren wir diese Reaktionen jedoch mithilfe von Elektronen. Warum die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler früher noch anders gedacht haben als wir heute, erklären wir dir in diesem Artikel.

Die Ursprünge der Oxidation 

Jacques-Louis David, Public domain, via Wikimedia Commons
Abb. 2 Antoine Laurent de Lavoisier (1743-1794)

Das Wort Redoxreaktion setzt sich aus den Begriffen Oxidation und Reduktion zusammen und beschreibt damit eine chemische Reaktion, bei der Oxidation und Reduktion gleichzeitig auftreten. Du kannst das Oxidieren und Reduzieren auch als Begriffspaar bezeichnen. Das war aber nicht immer so.

Im 18. Jahrhundert wurde das Element Sauerstoff sowohl von Carl Wilhelm Scheele (1742-1786) als auch Joseph Priestley (1733-1804) entdeckt. Der französische Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier (1743-1794) stellte daraufhin Ende des Jahrhunderts eine Sauerstoff-Theorie auf. In dieser prägte Lavoisier (Abb. 2) den Begriff der Oxidation als Reaktion unter Sauerstoffaufnahme, d. h. als Reaktion, bei der Elemente mit Sauerstoff reagieren und Oxide bilden (Oxidbildung). Lavoisier untersuchte im Labor zahlreiche Reaktionen von Metallen und Nichtmetallen mit Sauerstoff. So zum Beispiel die Reaktion von Kohlenstoff, Schwefel oder Quecksilber mit Sauerstoff: 

\(\ce{C + O2 -> CO2}\)

\(\ce{S + O2 -> SO2}\) 

\(\ce{2Hg + O2 -> 2HgO}\) 

Die Reaktionsgleichungen zeigen, dass die Elemente Schwefel, Kohlenstoff bzw. Quecksilber mit Sauerstoff reagieren. Es bilden sich die entsprechenden Oxide: Schwefeldioxid, Kohlenstoffdioxid und Quecksilberoxid. Es handelt sich demnach um Oxidationen nach Lavoisier. Mehr zur Bildung von Oxiden und Verbrennungsreaktionen erfährst du hier: Reaktionen mit Sauerstoff – Bildung von Oxiden.

Die Reduktion – das Gegenstück zur Oxidation? 

Unknown authorUnknown author, Public domain, via Wikimedia Commons
Abb. 3 Joachim Junge (1587-1657)

Der ursprüngliche Reduktionsbegriff ist viel älter als der Oxidationsbegriff und geht auf Joachim Junge (1587-1657) (Abb. 3) zurück. Unter einer Reduktion wurde eine Umwandlung von Erzen verstanden: Aus den Erzen wurden die jeweiligen Metalle zurückgeführt.

Ein typisches Beispiel der damaligen Zeit ist die Gewinnung von Quecksilber aus Zinnober durch starke Erwärmung. Heute wissen wir, dass es sich bei dem Erz Zinnober im Wesentlichen um Quecksilbersulfid handelt. Wird dieses stark erhitzt, bilden sich Quecksilber und Schwefel. 

\(\ce{HgS -> Hg + S}\) 

Heutzutage können wir sagen, dass eine Reduktion nach Junge eine Rückgewinnung von Metallen aus Metallverbindungen ist. Aus der Metallverbindung Quecksilbersulfid wird das Metall Quecksilber zurückgewonnen. 

Lavoisier konnte darüber hinaus feststellen, dass sich bei der Erwärmung von Quecksilberoxid Quecksilber und Sauerstoff bilden. Auch hier wird ein Metall (Quecksilber) aus einer Metallverbindung (Quecksilberoxid) zurückgewonnen. Es fällt aber auch auf, dass bei dieser Zerlegung von Quecksilberoxid Sauerstoff frei wird (Oxidzerlegung).  

\(\ce{2HgO -> 2Hg + O2}\)

Offensichtlich gibt es also Reaktionen, die unter Sauerstoffabgabe ablaufen, d. h. bei der sich ein Oxid zerlegt und das entsprechende Element und Sauerstoff freigesetzt werden. Dieses Gegenstück zur Oxidation wurde im Laufe der Geschichte Reduktion genannt.

Oxidation und Reduktion als Reaktion unter Elektronenabgabe und Elektronenaufnahme 

Die Grundlagen für die Betrachtung von Oxidation und Reduktion auf Teilchenebene legte 1897 Joseph John Thomson (1856-1940) mit der Entdeckung des Elektrons. Diese Entdeckung hatte auch Auswirkungen auf die Vorstellung von Atomen: Laut dem Thomsonschen Atommodell bestehen Atome aus einer gleichmäßig verteilten positiven Ladung, in die die Elektronen als negative Ladungen eingebettet sind. 

Mithilfe dieser Kenntnis ließen sich chemische Vorgänge nunmehr auf Teilchenebene beschreiben. Wenn du mehr über unsere heutige Definition der Redoxreaktionen als Elektronenübergang lernen möchtest, kannst du hier weiterlesen.

Vorherige Vorstellungen waren nicht falsch, sondern einfach nicht so genau

Du siehst daran, dass sich unsere Vorstellungen von den chemischen Zusammenhängen über die Jahrhunderte hinweg verändern und immer weiterentwickeln. Ob etwas richtig oder falsch ist, lässt sich dabei fast nie sagen: Der einfache Redoxbegriff mit Sauerstoff ist lediglich weniger allgemeingültig und nur auf die Stoffebene bezogen.