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Grundwissen

Radikalische Substitution

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Halogen-Moleküle wie z. B. Brom werden durch Licht homolytisch in Halogen-Radikale gespalten.  
  • Die Halogen-Radikale reagieren mit Alkan-Molekülen zu Halogenalkan-Molekülen.  
  • Den Reaktionsmechanismus nennen wir radikalische Substitution.
  • Die radikalische Substitution läuft als Kettenreaktion in mehreren Schritten ab.

Wenn du bräunlich gefärbtes Brom-Wasser zu einem Alkan wie z. B. Hexan gibst, kannst du beobachten, dass sich das Brom-Wasser zunächst nicht entfärbt. Bestrahlst du das Gemisch aber mit Licht, so entfärbt sich die Lösung langsam (Abb. 1). Das Brom aus dem Brom-Wasser reagiert mit dem Alkan zu einem Bromalkan.  

Warum Brom mit Alkanen nur reagiert, wenn die Ausgangsstoffe mit Licht bestrahlt werden und was dabei auf der Teilchenebene passiert, erfährst du in diesem Artikel.  

 

Abb. 1 Reaktion von Hexan und Bromwasser

Eigenschaften der Edukt-Moleküle

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Petra Wlotzka / made with chemix.org
Abb. 2 Homolytische Spaltung eines Brom-Moleküls

Alkan-Moleküle sind nahezu unpolare Moleküle und enthalten nur Einfachbindungen. Deshalb sind sie sehr reaktionsträge. Nur hoch reaktive Teilchen, wie z. B. Radikale (Teilchen mit mindestens einem ungepaarten Elektron), können solche Moleküle angreifen.  

Halogene sind sehr reaktiv. Sie bestehen aus zweiatomigen Molekülen. Die Elektronenpaarbindung zwischen den beiden Halogenmolekülen kann durch Energiezufuhr symmetrisch gespalten werden, so dass jedes Halogen-Atom ein Elektron der Elektronenpaarbindung erhält. Eine solche Spaltung nennen wir homolytische Spaltung (Abb. 2). Als Produkt einer homolytischen Spaltung erhält man immer Teilchen mit mindestens einem ungepaarten Elektron, sogenannte Radikale. Für die Spaltung der Halogen-Moleküle reicht die Energie des sichtbaren Lichts aus.

Reaktionsmechanismus der radikalischen Substitution

Die Reaktion von Halogen-Molekülen mit Alkan-Molekülen zu Halogenalkan-Molekülen wird durch die Bildung von Halogen-Radikalen ausgelöst und verläuft in mehreren aufeinanderfolgenden Einzelschritten. Da bei der Reaktion ein Wasserstoff-Atom in einem Alkan-Molekül durch ein Brom-Atom ersetzt wird, bezeichnen wir die Reaktion als „radikalische Substitution“.

Diese Einzelschritte einer radikalischen Substitution werden im Folgenden am Beispiel der Reaktion von Brom mit Methan vorgestellt.

Kettenstart

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele, Jan Cardell
Abb. 3 Startreaktion durch die Spaltung von Brom-Molekülen

Die Reaktion wird durch die Bildung der Brom-Radikale aus Brom-Molekülen durch die Zufuhr von Lichtenergie ausgelöst. Deshalb nennen wir diesen ersten Reaktionsschritt auch Startreaktion oder Kettenstart (Abb. 3).

Kettenreaktion

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele, Jan Cardell
Abb. 4 Brom-Radikal reagiert mit einem Methan-Molekül
CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele, Jan Cardell
Abb. 5 Methyl-Radikal reagiert mit einem Brom-Molekül

Die hochreaktiven Brom-Radikal greifen die Methan-Moleküle an und es entstehen Bromwasserstoff-Moleküle und Methyl-Radikale (Abb. 4).  

Die Methyl-Radikale reagieren mit Brom-Molekülen. Dabei entstehen Brommethan-Moleküle und Brom-Radikale, die wiederum Methan-Moleküle angreifen können (Abb. 5). 

So bilden sich im Wechsel immer Bromwasserstoff-Moleküle und Methyl-Radikale bzw. Brom-Radikale und Brommethan-Moleküle. Diese beiden Reaktionen können sich bis zu 10 000 mal wiederholen, ohne dass ein weiteres Brom-Atom durch Licht gespalten werden muss. Deshalb sprechen wir hier auch von einer Kettenreaktion. Einmal ausgelöst, läuft sie immer weiter.  

Kettenabbruch

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele, Jan Cardell
Abb. 6 Kettenabbruch durch die Reaktion zweier Brom-Radikale
CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele, Jan Cardell
Abb. 7 Kettenabbruch durch die Reaktion zweier Methyl-Radikale
CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele, Jan Cardell
Abb. 8 Kettenabbruch durch die Reaktion eines Brom-Radikals mit einem Methyl-Radikal

Je mehr Radikale im Verlauf der Reaktion entstehen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Radikale aufeinander treffen und miteinander reagieren. Da dabei keine neuen Radikale gebildet werden, kommt es zum Abbruch der Kettenreaktion. Bei einer Abbruchreaktion können folgenden Radikale aufeinander treffen:  

  • zwei Brom-Radikale (Abb. 6)
  • zwei Methyl-Radikale (Abb. 7)
  • ein Brom-Radikal und ein Methyl-Radikal (Abb. 8).

Werden keine neuen Brom-Radikale mehr gebildet bzw. stehen keine Methan-Moleküle mehr für eine Reaktion zur Verfügung ist die Reaktion beendet.  

Zusammenfassung

Die radikalische Substitution bei Alkanen verläuft in mehreren Schritten:

  • Spaltung von Halogen-Molekülen zu Halogen-Radikalen durch Lichtenergie (Startreaktion)
  • abwechselnde Reaktion von Halogen-Radikale mit Alkan-Molekülen zu Halogenwasserstoff-Molekülen und Alkyl-Radikalen bzw. Alkyl-Radikalen mit Halogen-Molekülen zu Halogenalkan-Molekülen und Halogen-Radikalen (Kettenreaktion)
  • Abbruch der Reaktion durch die Reaktion verschiedener Radikale untereinander (Abbruchreaktion).