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Grundwissen

Keto-Enol-Tautomerie

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die Keto-Enol-Tautomerie beschreibt das Gleichgewicht zwischen den Aldehyden bzw. den Ketonen und  ihren jeweiligen Enolen.
  • Die Enol-Form der Aldehyde und Ketone entsteht durch die Abspaltung eines Protons, der Ladungsverschiebung im Molekül und Delokalisierung der freien Elektronen der Doppelbindung.
  • Das Gleichgewicht liegt meist auf Seiten der Keto-Form (Aldehyde und Ketone).

Die Atome und Moleküle, die wir in der Chemie beschreiben, sind nicht immer starr. Die Elektronen bewegen sich um den Atomkern. Wir können für die Elektronen nur Aufenthaltswahrscheinlichkeiten geben. Durch die intermolekularen Wechselwirkungen kann sich die Ladung in den Molekülen verschieben, Protonen können abgespalten werden und freie Elektronen können delokalisiert werden.

In diesem Artikel zeigen wir dir, welche dieser interessanten Vorgänge bei den Aldehyden und Ketonen stattfinden.

Aldehyde und Ketone stehen mit ihren Enolen im Gleichgewicht

Die Keto-Enol-Tautomerie beschreibt, dass Aldehyde und Ketone in einem Gleichgewicht mit ihren entsprechenden Enolen liegen. Das heißt, dass die Aldehyde und Ketone immer gleichzeitig mit ihren Enolen vorliegen.

Enole werden auch Alkenole genannt. Das En- steht für die Alkene. Die Endung -ol steht für die Alkohole. Enole sind Alkene, bei denen eines der Kohlenstoff-Atome eine OH-Gruppe trägt. Aldehyde und Ketone stehen in Konstitutionsisomerie zu ihren Enolen. Bei der Konstitutionsisomerie haben zwei Moleküle die gleiche Summenformel, aber eine unterschiedliche Molekülstruktur.

Delokalisierung der Elektronen wegen Abspaltung eines Protons

Bei der Keto-Enol-Tautomerie werden die Elektronen der Doppelbindung durch die Abspaltung eines Protons (Wasserstoff-Ions) delokalisiert. Das bedeutet, dass bei der Entstehung der Enole aus den Aldehyden und Ketonen eine Ladungsverschiebung stattfindet. Wie genau dies funktioniert, zeigen wir dir im Detail (Abb. 1):

  1. Zunächst betrachten wir ein Kohlenstoff-Atom, welches zu der Carbonylgruppe benachbart ist und mindestens ein Wasserstoff-Atom gebunden hat. Dieses Kohlenstoff-Atom nennen wir \(\ce\alpha\)-Atom.
  2. Am \(\ce\alpha\)-Atom kann durch die Polarisierung der C-O-Doppelbindung, die durch die große Elektronegativität des Sauerstoff-Atoms entsteht, leicht ein Proton abgespalten werden. Wir nennen diesen Vorgang Deprotonierung. Dieser Vorgang wird im basischen Milieu begünstigt.
  3. Durch die Deprotonierung entsteht am \(\ce\alpha\)-Atom eine negative Ladung. Es entsteht ein Carb-Anion.
  4. Carb-Anionen sind negativ geladene Zwischenprodukte und sehr reaktiv. Durch die negative Ladung am \(\ce\alpha\)-Atom werden die Elektronen der Doppelbindung der Carbonylgruppe delokalisiert. Das heißt, die Doppelbindung kann auch zwischen dem \(\ce\alpha\)-Atom und dem Kohlenstoff-Atom der Carbonylgruppe liegen. Dabei klappt das Elektronenpaar des \(\ce\alpha\)-Atoms um und das Elektronenpaar der Doppelbindung klappt zum Sauerstoff-Atom um. Auf diese Weise verschiebt sich die Ladung im Carb-Anion so, dass diese sich nun am Sauerstoff-Atom befindet.
  5. Dadurch, dass sich die Elektronen des Carb-Anions verteilen bzw. ständig wechseln, sind die zwei Formen des Carb-Anions mesomeriestabilisiert. Diese zweite mesomere Form (in der eckigen Klammer rechts) nennen wir Enolat-Anion.
  6. Wenn sich das zuvor abgespaltene Proton an dem negativ geladenen Sauerstoff-Atom bindet, entsteht das Enol. Wir nennen diesen Vorgang Reprotonierung.
CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung
Abb. 1 Keto-Enol-Tautomerie

Gleichgewicht meist auf Seiten der Aldehyd- bzw. Keton-Form

Das Gleichgewicht liegt meistens auf Seiten der Keto-Form (Aldehyde und Ketone). Die Enol-Form liegt nur zu einem geringen Teil vor. Aceton liegt zum Beispiel zu < 99 % als Propan-2-on und zu weniger als > 1 % als Propen-2-ol vor. Bei Aldehyden und Ketonen, wo das Gleichgewicht auf der Seite der Enol-Form liegt, wird diese Form durch intermolekulare Wasserstoffbrückenbindungen stabilisiert.

Zusammenfassung

Die Keto-Enol-Tautomerie beschreibt ein Gleichgewicht zwischen den Aldehyden bzw. Ketonen und ihrer Enol-Form. Dabei liegt das Gleichgewicht meist auf Seiten der Keto-Form. Zunächst spaltet sich ein Proton am benachbarten Kohlenstoff zu der Carbonyl-Gruppe ab. Dadurch entsteht eine Ladungsverschiebung im Molekül. Das Carb-Anion wird dadurch stabilisiert, dass die freien Elektronen der Doppelbindung sich über das Molekül verteilen.

Aufgabe
Aufgabe

Der Begriff Tautomerie setzt sich aus den Begriffen „das Gleiche“ und „Anteil“ zusammen und beschreibt in der Chemie Moleküle, die als Konstitutionsisomere zueinanderstehen. Recherchiere und beschreibe kurz, warum die Aldehyde bzw. Ketone und ihre Enole Konstitutionsisomere sind.

Lösung

Konstitutionsisomere sind Moleküle, die zwar die gleiche Summenformel haben, sich aber in der Reihenfolge der Atome und Bindungen unterscheiden. Tautomerie beschreibt ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Konstitutionsisomeren, wobei die Wanderung der Atome schnell hin und her geht. Insgesamt haben Keto- und Enol-Form die gleiche Summenformel. Bei den beiden Formen wechselt ständig und schnell das Proton zwischen Kohlenstoff- und Sauerstoff-Atom.