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Grundwissen

Elektronegativität und polare Elektronenpaarbindungen

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die Elektronegativität bezeichnet die Fähigkeit eines Atoms die Elektronen einer Bindung anzuziehen.
  • Die Elektronegativität wird durch die Kernladung und den Atomradius maßgeblich bestimmt. 
  • Je größer diese Differenz der Elektronegativitäten bei molekular gebauten Stoffen ist, desto polarer ist eine Bindung.
U.S. Department of Defense Current Photos, Public domain, via Wikimedia Commons
Abb. 1 Tauziehen

Schon seit der Antike messen sich Menschen beim Tauziehen. Eine Mannschaft, die stärker zieht als die andere, kann das Seil zu sich ziehen. Ähnlich verhält es sich mit Atomen, die eine Elektronenpaarbindung (Atombindung) eingegangen sind, denn nicht jedes Atom zieht die Elektronen der Elektronenpaarbindung gleich stark an. Manche Atome ziehen die Elektronen der Bindung so stark an, dass die Bindungselektronen verschoben werden.

Je weiter vom Kern entfernt, desto weniger stark die Anziehungskraft

Die Atome aller Elemente des Periodensystems sind aus einem positiv geladenen Kern (bestehend aus Protonen und Neutronen) und negativ geladenen Elektronen um den Kern aufgebaut. Der positiv geladene Kern und die darum liegenden negativ geladenen Elektronen ziehen sich gegenseitig an. Je weiter die Elektronen von dem Kern entfernt sind, desto weniger stark ist diese Anziehungskraft. Dieses Prinzip lässt sich auf die Elektronen einer Elektronenpaarbindung übertragen.

Wenn die Elektronen gleich stark angezogen werden

Zwei Wasserstoffatome reagieren zu einem Wasserstoff-Molekül, da durch die gemeinsame Elektronenpaarbindung beide Atome zwei Valenzelektronen und somit die Edelgaskonfiguration des Helium-Atoms aufweisen. Die Elektronenpaarbindung im Wasserstoff-Molekül ist ein Elektronenpaar, das sich die beiden Wasserstoff-Atome teilen. Diese Elektronen werden von den positiv geladenen Kernen der Wasserstoff-Atome angezogen. Beide Wasserstoff-Kerne enthalten jeweils ein Proton und ziehen daher die Bindungselektronen gleich stark an. Ähnlich verhält es sich im Chlor-Molekül. Auch hier gibt es eine Elektronenpaarbindung, die von den positiv geladenen Kernen angezogen wird. Die Kerne der Chlor-Atome umfassen jeweils 17 Protonen und ziehen die Bindungselektronen ebenfalls gleich stark an.

Wenn die Elektronen unterschiedlich stark angezogen werden

Anders verhält es sich im Hydrogenchlorid-Molekül (Salzsäure). Hier besteht eine Elektronenpaarbindung zwischen einem Wasserstoff-Atom und einem Chlor-Atom. Der Kern des Wasserstoff-Atoms enthält ein Proton. Der Kern des Chlor-Atoms enthält 17 Protonen.

Wie oben erwähnt ist nicht nur die Anzahl der Protonen im Kern entscheidend, sondern wie weit die Bindungselektronen vom Kern entfernt sind. Je weiter unten ein Element im Periodensystem steht, desto weiter sind die Valenzelektronen vom Kern entfernt, da mit jeder Periode (Zeile im Periodensystem) eine weitere Schale hinzukommt. Ein Lithium-Atom hat nur zwei Schalen und die Valenzelektronen sind näher am Kern als beim Kalium-Atom, das bereits vier Schalen hat. Je weiter die Valenzelektronen vom Kern entfernt sind, desto weniger stark werden sie vom Kern angezogen.

In Abbildung 2 siehst du, dass sowohl das Wasserstoff-Atom als auch das Chlor-Atom sehr klein sind. Jedoch besitzt der Kern des Chlor-Atoms deutlich mehr Protonen und zieht daher die Elektronen der Elektronenpaarbindung stärker an. Die Elektronen der Bindung befinden sich nicht mittig zwischen den beiden Atomen. Stattdessen sind die Elektronen der Bindung an das Chlor-Atom gerückt. Am Chlor-Atom sind dadurch mehr Elektronen und am Wasserstoff-Atom sind weniger Elektronen. Aufgrund der negativen Ladung der Elektronen ist das Chlor-Atom geringfügig negativ geladen und das Wasserstoff-Atom ist geringfügig positiv geladen. Solche Ladungen werden als Partialladungen bezeichnet. Eine Ladung wird allgemein als Partialladung bezeichnet, wenn sie durch eine Elektronenpaarbindung zustande kommt, bei der die Bindungselektronen von einem Atom stärker angezogen werden als vom anderen. Das Wasserstoff-Atom hat hingegen eine positive Partialladung, da die Bindungselektronen weiter entfernt sind. Die Elektronenpaarbindung hat somit ein eher negativ geladenes und ein eher positiv geladenes Ende. So eine Bindung wird als polare Elektronenpaarbindung bezeichnet. 

Johannes Schneider, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Abb. 2 Atomradien im PSE

Im Hydrogenchlorid-Molekül ist das Chlor-Atom das elektronegativere Atom. Die Elektronegativität bezeichnet allgemein die Fähigkeit eines Atoms die Elektronen einer Bindung anzuziehen. Die unterschiedliche Anziehung von Bindungselektronen hängt vor allem von der Kernladung und dem Atomradius ab. Die Elektronegativität steigt also von links nach rechts innerhalb einer Periode (Zeile im Periodensystem). Allerdings werden hier die Edelgase nicht betrachtet. Sie liegen fast ausschließlich atomar und nicht als Verbindungen vor, da sie durch ihre Edelgaskonfiguration sehr stabil sind. Fluor-Atome sind in Molekülen somit die elektronegativsten Atome. Innerhalb einer Gruppe (Spalte im Periodensystem) nimmt die Elektronegativität von oben nach unten ab. Atome der Metalle in der linken unteren Ecke des Periodensystems sind somit die am wenigsten elektronegativen Atome in einem Molekül.

Elektronegativität im Periodensystem

Schon 1932 versuchte Pauling, den verschiedenen Atomen Zahlenwerte für die Elektronegativität zuzuordnen. Diese Werte findest du in Abbildung 3. Weitere Infos findest du auch im Artikel „Elektronegativität und Periodensystem“.

Abb. 3 Elektronegativität nach Pauling im PSE

 

Berechnung der Polarität mittels Elektronegativität

Anhand der Werte für die Elektronegativität kannst du entscheiden, ob und wie stark polar eine Elektronenpaarbindung ist. Hierzu berechnest du die Differenz zwischen den Elektronegativitäten der beiden Atome, die an einer Bindung beteiligt sind. Je größer diese Differenz ist, desto polarer ist eine Bindung. Für das Hydrogenchlorid-Molekül liegt die Differenz bei \(3,16 - 2,2 = 0,96\). Beim Hydrogeniodid-Molekül liegt sie bei \(2,66 – 2,22 = 0,46\). Diese Elektronenpaarbindung ist somit weniger polar als im Hydrogenchlorid-Molekül. Die Hypochlorige Säure (HOCl) hat im Unterschied zu den beiden vorherigen Molekülen zwei Elektronenpaarbindungen. Die Differenzen der Elektronegativitäten müssen in solchen Fällen für jede Bindung einzeln berechnet werden. Das Wasserstoff-Atom geht mit dem Sauerstoff-Atom eine Elektronenpaarbindung ein deren Differenz \(3,44 – 2,2 = 1,24\) beträgt. Das Sauerstoff-Molekül geht darüber hinaus auch eine Bindung mit dem Chlor-Atom ein. Die Differenz dieser Bindung beträgt \(3,44 - 3,16 = 0,28\). Diese Bindung ist weniger polar als die Bindung zwischen dem Sauerstoff-Atom und Wasserstoff-Atom.