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Grundwissen

Geschichte der Biokunststoffe

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Biokunststoffe sind meist natürlichen Ursprungs.
  • Die frühen Biokunststoffe haben den Anstoß zur Entwicklung von Kunststoffen gegeben.
  • Aus Gründen der Nachhaltigkeit werden Biokunststoffe heute wieder wichtiger.

Biokunststoffe sind nicht vollständig künstlich. Der Wortteil "Bio" zeigt an, dass Biokunststoffe in Teilen natürlichen Ursprungs sind. Manchmal werden als Biokunststoffe auch Kunststoffe bezeichnet, die biologisch abbaubar sind. Das heißt, dass sie von Mikroorganismen zersetzt werden können. Biokunststoffe haben eine spannende Geschichte, weil sie einerseits vor über 100 Jahren die ersten Ansätze für die Entwicklung von Kunststoffen lieferten und andererseits heute zu den modernsten Formen von Kunststoffen zählen (Abb. 1).

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Bildog63, CC0, via Wikimedia Commons Elinnea, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons Dontworry, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons Runner1616, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons Auckland Museum, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons No machine-readable author provided. Digitalgadget~commonswiki assumed (based on copyright claims)., Public domain, via Wikimedia Commons Johan, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons Aarnous8817, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons Shift, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Abb. 1 Zeitleiste Geschichte der Biokunststoffe

Gummi als erste Veränderung des Naturstoffs Kautschuk

Bei Biokunststoffen wird ein Naturstoff (z.B. Kautschuk vom Kautschukbaum) chemisch verändert, so dass er neue Eigenschaften erhält (Abb. 2.1). Natürlicher Kautschuk wird hart, wenn er kalt wird, und schmilzt, wenn er heiß wird. Erst durch das Verfahren des sogenannten Vulkanisierens, bei dem der Kautschuk mit Schwefel gemischt und erhitzt wird, entsteht Gummi, wie wir es zum Beispiel von Autoreifen kennen. Gummi ist im Gegensatz zu Kautschuk noch bei kalten Temperaturen elastisch und die Autoreifen schmelzen an einem heißen Sommertag nicht.

Die Vulkanisation wurde im Jahr 1839 von Charles Goodyear erfunden.  Du kannst seinen Namen noch heute auf Autoreifen von der Firma Goodyear finden (Abb. 2.2). Goodyear hat mit seiner Erfindung andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler motiviert, sich intensiv mit den Eigenschaften der Naturstoffe zu beschäftigen. Es entwickelte sich eine Forschung zu Naturstoffen, die es ermöglichte, dass Naturstoffe beliebig formbar wurden.

Celluloid aus Cellulose zum Ersatz teurer Stoffe

Dontworry, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Abb. 3 Tischtennisball aus Celluloid

Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Biokunststoffen stellt Celluloid dar. Celluloid wurde von einer Vielzahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den 1840er bis in die 1860er Jahre entwickelt und verbessert. Die Herstellung von Celluloid erfolgt aus Cellulose. Cellulose ist ein Bestandteil von Pflanzen, aus dem auch Papier hergestellt wird.

Wie viele der frühen Biokunststoffe wurde Celluloid als Ersatz für seltene, natürlich vorkommende Materialien, z.B. Elfenbein, verwendet. Elfenbein war sehr teuer und selten, weil es vor allem aus den Stoßzähnen von Elefanten gewonnen wurde, die durch die Jagd immer seltener wurden. Ein bekanntes Produkt aus Celluloid sind Tischtennisbälle. Tischtennisbälle wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts aus Celluloid hergestellt (Abb. 3). Erst seit 2018 werden fast alle Tischtennisbälle aus einem anderen Kunststoff produziert, um das leicht brennbare Celluloid durch ein sichereres Material zu ersetzen.

Kunststoffe verdrängen vorerst die Biokunststoffe

Der Boom der frühen Biokunststoffe endete mit der verstärkten Nutzung von Kunststoffen, bei denen auch die Ausgangsstoffe künstlich hergestellt wurden. Diese echten Kunststoffe, die meist aus Erdöl oder Erdgas hergestellt werden, dominierten seit den 1930er-Jahren die Kunststoffnutzung. Sie brachten eine Vielzahl von unterschiedlichen Kunststoffsorten hervor und sorgten dafür, dass Kunststoffe heute in jedem Bereich unseres Lebens vorkommen.

Moderne Biokunststoffe

Trotz der breiten Vermarktung der Kunststoffe werden noch heute viele der frühen Biokunststoffe genutzt. Auch moderne Autoreifen bestehen zum Beispiel noch zu einem kleinen Anteil aus Gummi, der aus Kautschuk hergestellt wurde. Biokunststoffe werden seit einiger Zeit wieder mehr beachtet, weil wir wissen, dass sich der Gebrauch von klassischen Kunststoffen negativ auf die Umwelt auswirken kann. Außerdem werden fossile Rohstoffe, wie Erdgas, im knapper, sodass andere Rohstoffquellen für die Kunststoffherstellung gesucht werden. Doch Biokunststoffe sind kein Allheilmittel für das weltweite Problem mit Plastikmüll. Der Begriff Biokunststoff kann nämlich in die Irre führen. Nicht alle Biokunststoffe werden wirklich aus natürlichem Material (z. B. Stärke) hergestellt oder sind biologisch abbaubar. Viele der heute produzierten Biokunststoffe werden zwar auf Basis von pflanzlichen Stoffen hergestellt, sind aber genauso langlebig wie auch herkömmliche Kunststoffe. Auch deshalb ist noch nicht klar, wie nachhaltig die Nutzung von Biokunststoffen ist.

Zusammenfassung

Biokunststoffe gibt es seit mehr als 100 Jahren. Ihre Entwicklung stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu künstlichen Kunststoffen dar. Bei Biokunststoffen wird ein Naturstoff chemisch so verändert, dass er ganz andere Eigenschaften erhält. Hierzu zählt zum Beispiel die Entwicklung von Celluloid, das aus Cellulose, dem Zellstoff von Pflanzen, hergestellt wird. Nach der Entwicklung von Kunststoffen, bei denen auch die Ausgangsstoffe künstlich hergestellt wurden, verloren Biokunststoffe an Bedeutung. Seit einigen Jahren werden wieder verstärkt Biokunststoffe entwickelt und verwendet, um der Umweltbelastung durch Kunststoffe zu begegnen. 

Aufgabe
Aufgabe

Ein wichtiger Biokunststoff für uns heute ist Polymilchsäure. Die Abkürzung PLA leitet sich von der englischen Bezeichnung polylactid acid ab.

Ildar Sagdejev (Specious), CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Abb. 4 Biologisch abbaubare Becher aus PLA

a) Informiere dich über den Grundbaustein von PLA, die Milchsäure: Formel und IUPAC-Bezeichnung, Vorkommen und biologische Bedeutung.

b) Auf den PLA-Bechern findest du die Hinweise: 'MADE FROM CORN, 100% COMPOSTABLE' (Abb. 4). Informiere dich über die Herstellung von PLA und über die Abbaubarkeit.

c) Eine weitere wichtige Verwendung von PLA findest du in der Medizintechnik: als Nahtmaterial. Überlege, welche Vorteile PLA hier gegenüber einem herkömmlichen Kunststoff wie z.B. Nylon hat.

Lösung

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung;
Abb. 5 2-Hydroxypropansäure

a) Der Grundbaustein von PLA ist die 2-Hydroxypropansäure (Milchsäure) (Abb. 5). Sie kommt im Körper z.B. im Blut und in den Muskeln vor. Sie wirkt antibakteriell und wird in der Textil- und in der Kosmetikindustrie, in Reinigungsmitteln sowie als Lebensmittelzusatzstoff verwendet.

b) PLA kann z.B. durch Vergärung von Melasse (Zuckersirup) und durch Fermentation von Glucose hergestellt werden. PLA ist biologisch abbaubar (kann durch Enzyme/Lebewesen zersetzt werden). Allerdings hat es eine relativ geringe Temperaturbeständigkeit (bis ca. 50° C), ist also für Heißgetränke nicht geeignet.

c) PLA zersetzt sich im Körper nach einiger Zeit. Bei einem anderen Material wäre ein zweiter Eingriff notwendig, um das Material wieder aus dem Körper zu entfernen.