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Grundwissen

Mehrwertige Alkohole (Polyole)

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Alkohole, deren Moleküle zwei oder mehr Hydroxy-Gruppen besitzen, nennen wir mehrwertige Alkohole oder Polyole.
  • Mehrwertige Alkohole sind zähflüssig oder fest und sehr gut wasserlöslich.
  • Mehrwertige Alkohole sind in sehr vielen Produkten des Alltags zu finden.

 

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CC BY-SA 3.0 Photo by cjk per Open Products Facts (cropped from original)
Abb. 1 Scheiben Frostschutz Konzentrat

Wusstest du, dass es Alkohole gibt, die süß schmecken? Diese Alkohole haben zwei oder mehr Hydroxy-Gruppen in ihren Molekülen. Wir nennen die Alkohole mit mehreren Hydroxy-Gruppen deswegen mehrwertige Alkohole. Die mehrwertigen Alkohole haben noch weitere besondere Eigenschaften und sind deshalb in vielen Alltagsprodukten zu finden. So werden einige mehrwertige Alkohole als Frostschutzmittel (Abb. 1) eingesetzt. Andere dieser Alkohole werden als Feuchthaltemittel z. B. in Kosmetikprodukten oder als sogenannte Zuckeraustauschstoffe in Lebensmitteln verwendet. In diesem Artikel erfährst du, welche besonderen Eigenschaften die mehrwertigen Alkohole haben und warum sie in so vielen Produkten zu finden sind. Außerdem lernst du die bekanntesten Vertreter dieser Stoffgruppe kennen.


Eigenschaften und Struktur der mehrwertigen Alkohole

Mehrwertige Alkohole sind entweder zähflüssig oder fest und lösen sich sehr gut in Wasser. Sie schmecken süß und sind hygroskopisch. Diese Stoffeigenschaften sind auf den Bau der Moleküle der mehrwertigen Alkohole zurückzuführen. Mehrwertige Alkohole haben mindestens zwei oder mehr Hydroxy-Gruppen (OH-Gruppen) in ihren Molekülen. Aus Stabilitätsgründen kann sich an einem Kohlenstoff-Atom aber immer nur eine Hydroxy-Gruppe befinden. Alkohole mit zwei Hydroxy-Gruppen nennen wir Diole, Alkohole mit drei Hydroxy-Gruppen Triole. Häufig werden die mehrwertigen Alkohole deshalb als Polyole bezeichnet. Die vielen Hydroxy-Gruppen sind verantwortlich für die besonderen Eigenschaften der mehrwertigen Alkohole.

Zwischen den Hydroxy-Gruppen der Alkohol-Moleküle können sich Wasserstoffbrücken ausbilden. Je mehr Hydroxy-Gruppen in einem Molekül vorhanden sind, desto mehr Wasserstoffbrücken können sich bilden und umso zähflüssiger wird der Stoff. Außerdem wird mit zunehmender Anzahl an Hydroxy-Gruppen mehr Energie benötigt, um die Anziehungskräfte zwischen den Molekülen zu überwinden. Das bedeutet, dass mit zunehmender Anzahl der Hydroxy-Gruppen in den Alkohol-Molekülen die Siedetemperatur der mehrwertigen Alkohole ansteigt. Die vielen Hydroxy-Gruppen sind auch für die gute Wasserlöslichkeit der mehrwertigen Alkohole verantwortlich. So können sich zwischen den Hydroxy-Gruppen eines Alkohol-Moleküls und mehreren Wasser-Molekülen Wasserstoffbrücken ausbilden.

 

Ethandiol – der einfachste Vertreter der mehrwertigen Alkohole

Ethandiol (Abb. 2.2), auch Glykol genannt, ist giftig, bei Raumtemperatur zähflüssig und hat im Vergleich zu Ethanol eine sehr hohe Siedetemperatur von 198 °C. Ethandiol wird dem Kühlwasser in Autokühlern als Frostschutzmittel zugesetzt. Aufgrund der Wasserstoffbrücken zwischen den Ethandiol- und den Wasser-Molekülen wird die Kristall-Bildung der Wasser-Moleküle gestört. So gefriert ein Ethandiol-Wasser-Gemisch im Verhältnis 1:1 erst bei -40 °C. Ethandiol-Wasser-Gemische werden deshalb auch zum Enteisen von Flugzeugflügeln (Abb. 2.1) genutzt. Wegen seiner hohen Siedetemperatur verdampft Ethandiol nicht, sondern bildet auf den Tragflächen eine Art Schutzfilm, der die Tragfläche vor weiterer Eisbildung schützt. Neben dem Einsatz als Frostschutz- und Enteisungsmittel ist Ethandiol ein wichtiger Ausgangsstoff für die Kunststoff-Industrie. So wird Ethandiol z. B. für die Herstellung von PET (Polyethylenterephthalat) benötigt, dem Kunststoff, aus dem viele Getränkeflaschen bestehen.

Glycerol – ein Frostschutzmittel der Natur

Glycerol (Abb. 3.2), besser bekannt als Glycerin, ist bei Raumtemperatur zähflüssig und hat eine sehr hohe Siedetemperatur von 290 °C. Der chemisch korrekte Name lautet Propan-1,2,3-triol. Glycerol kommt in vielen Stoffwechselprozessen als Zwischenprodukt vor und ist in gebundener Form Bestandteil aller natürlichen Öle und Fette. Glycerol lässt sich deshalb aus Pflanzenölen herstellen. So fällt Glycerol bei der Produktion von Biodiesel aus Rapsöl in großen Mengen als Nebenprodukt an.  

Glycerol wirkt wie Ethandiol als Frostschutzmittel. Diese Eigenschaft machen sich viele Insekten zunutze, um in der kalten Jahreszeit zu überleben. So produzieren z. B. Marienkäfer körpereigenes Glycerol und können so in großen Gruppen unter Baumrinden oder in Felsritzen auch bei Temperaturen unter 0 °C überwintern (Abb. 3.1).  

Glycerol ist als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen und hat die E-Nummer: 422. Aufgrund seiner hygroskopischen Wirkung wird Glycerol in vielen Lebensmitteln und Kosmetikartikeln als Feuchthaltemittel eingesetzt. Feuchthaltemittel sind Lebensmittelzusatzstoffe, die dafür sorgen, dass Lebensmittel nicht austrocknen. So sorgt Glycerol z. B. dafür, dass Kaugummis oder Zahncremes weich und geschmeidig bleiben. Vor allem in den meisten Handcremes ist Glycerol wegen seiner Feuchtigkeit spendenden Wirkung enthalten. Auch die Tabakindustrie nutzt Glycerol als Feuchthaltemittel, so dass Tabak nicht so schnell austrocknet und länger gelagert werden kann. Außerdem wird es als "Liquid" für E-Zigaretten genutzt.  

Neben seiner Verwendung als Feuchthaltemittel wird Glycerol auch als Frostschutzmittel, Weichmacher oder Schmierstoff verwendet. In der chemischen Industrie ist Glycerol Ausgangsstoff für die Herstellung von Nitroglycerin und Kunststoffen wie Polyurethan (z. B. Bauschaum).

 

Polyole als Zuckeraustauschstoffe

Zuckeraustauschstoffe gehören zu den Lebensmittelzusatzstoffen und werden in Lebensmitteln als Süßungsmittel eingesetzt. Zuckeraustauschstoffe schmecken zwar süß, werden aber im Körper nicht auf dem gleichen Stoffwechselweg wie Zucker abgebaut. Deshalb erhöhen sie nicht den Blutzuckerspiegel und sind als Süßungsmittel für Diabetiker geeignet. Zu den bekanntesten Vertreter gehören Sorbitol (E 420), auch Sorbit genannt und Xylitol (E 967), auch Xylit genannt (Abb. 4.2).  

Der chemisch korrekte Name des Xylitols ist Pentan-1,2,3,4,5-pentol. Xylitol kommt in vielen Gemüsesorten (z. B. Blumenkohl) und Früchten (Erdbeeren, Himbeeren) vor. Außerdem ist Xylitol in der Rinde verschiedener Bäume wie z. B. der Birke zu finden. Xylitol wird aus einem speziellen Zucker, der Xylose, hergestellt.

Der chemisch Korrekte Name des Sorbitols ist Hexan-1,2,3,4,5,6-hexol (Abb. 4.3). Sorbitol ist vor allem im Kernobst (Birne, Pflaumen) zu finden. Sorbitol wird aus Traubenzucker (Glucose) hergestellt.

Sorbitol und Xylitol sind bei Raumtemperatur fest. Beide Polyole besitzen eine hohe thermische Stabilität, d. h. die Polyol-Moleküle sind bis zu Temperaturen von 180 °C stabil. Sorbitol und Xylitol lösen sich sehr gut in Wasser und sind hygroskopisch (wasseranziehend). Von den meisten Mikroorganismen in der Mundhöhle wird Xylitol nicht und Sorbitol nur sehr langsam zu Säuren abgebaut. Deshalb sind Sorbitol und Xylitol zum Süßen von zahnfreundlichen Süßwaren wie z. B. Bonbons, Kaugummis und Fruchtgummis geeignet (Abb. 4.1).  Beide Zuckeraustauschstoffe haben eine positive Lösungsenthalpie. Das bedeutet, dass zum Lösen von Xylitol und Sorbitol Energie zugeführt werden muss. Diese Energie wird der Umgebung entzogen. Die Lösung kühlt ab. Deshalb schmecken Xylitol und Sorbitol nicht nur süß, sondern auch angenehm kühl. Diese Eigenschaft nennt man Refreshment-Effekt.

Beide Zuckeraustauschstoffe werden zur Herstellung von zuckerfreien Backwaren, Marmeladen und Konfitüren, Fruchtkonserven und Instandprodukten für Diabetiker und Diabetikerinnen genutzt. Sorbitol und Xylitol dienen als Trägerstoffe für flüchtige und instabile Stoffe, wie Aromen oder Vitamine, oder werden Marzipan und Trockenfrüchten als Feuchthaltemittel zugesetzt. In Kosmetikprodukten verhindern Sorbitol und Xylitol das Austrocknen von Salben und Tinkturen und halten z. B. die Zahnpasta geschmeidig. Durch ihre Kühlwirkung verstärken sie den Refreshment-Effekt (kühlender Effekt) in Zahnpflegeprodukten.

Zusammenfassung

Alkohole mit mehreren Hydroxy-Gruppen nennt man mehrwertige Alkohole oder Polyole. Die Eigenschaften der mehrwertigen Alkohole werden durch die Anzahl der Hydroxy-Gruppen im Molekül bestimmt. Aufgrund ihrer Eigenschaften (süßer Geschmack, Hygroskopie) sind die mehrwertigen Alkohole in vielen Lebensmitteln und Kosmetikartikeln zu finden.

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