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Grundwissen

Nachweisreaktionen für Aldehyde und Ketone

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Es gibt verschiedene Nachweisreaktionen für Aldehyde und Ketone.
  • Die Nachweisreaktionen zeigen jeweils einen schönen Farbumschlag, wenn eine Aldehyd- oder Ketogruppe (oder zum Teil auch andere reduzierende Gruppen) vorhanden sind.
  • Die bekanntesten Nachweisreaktionen sind alles Namensreaktionen, d.h. sie sind nach den Personen benannt, die sie entdeckt haben.
  • Die bekanntesten Nachweisreaktionen für Aldehyde und Ketone sind die Tollens-Probe (auch Silberspiegelprobe), die Fehling-Probe, die Benedict-Probe, die Schiffsche-Probe sowie die Seliwanow-Probe.
CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Hanne Rautenstrauch
Abb. 1 Schiffsche-Probe vor (links) und nach der Zugabe der Schiffschen Reagenz zu Benzaldehyd (rechts)

Im Labor kannst du durch verschiedene Farbreaktionen (z.B. Abb. 1) nachweisen, ob ein bestimmter Stoff auf molekularer Ebene eine Aldehyd-Gruppe oder eine Keto-Gruppe besitzt. Die dabei verwendeten Reaktionen sind sogenannte Namensreaktionen, d.h. die Reaktionen sind nach ihren Erfindern benannt. In diesem Artikel findest du einen zusammenfassenden Überblick über die bekanntesten Nachweisreaktionen für Aldehyde und Ketone:

  1. Die Schiffsche-Probe
  2. Die Fehling-Probe
  3. Die Benedict-Probe
  4. Die Tollens-Probe (Silberspiegelprobe)
  5. Die Seliwanow-Probe (auch Seliwanoff-Probe)

 

 

 

 

 

1. Schiffsche Probe

Eine der bekanntesten Möglichkeiten, um Aldehyde nachzuweisen, ist die Schiffsche Probe. Dabei wird eine aldehydhaltige Probe (z.B. Benzaldehyd) mit der der zuvor farblosen Schiffschen Reagenz (fuchsinschweflige Säure, Abb. 2.1) versetzt. Ist ein Aldehyd vorhanden, kann eine Violettfärbung beobachtet werden (Abb. 1). 

Welche Reaktion läuft ab?

Fuchsinschweflige Säure (Schiffsche Reagenz) ist ein Anlagerungsprodukt von schwefliger Säure \(\ce{(H_2SO_3)}\) an den magentafarbenen Farbstoff Fuchsin (Abb. 2.2). Während dieser Anlagerung bindet sich das Schwefel-Atom des Moleküls der schwefligen Säure an das zentrale Kohlenstoff-Atom des Fuchsin-Moleküls. Weil dadurch das System an delokalisierten Elektronen unterbrochen wird, erscheint die Lösung anschließend farblos (hypsochromer Effekt). Wird dann zu dieser farblosen fuchsinschwefligen Säure ein Aldehyd gegeben, wird das zentrale Kohlenstoff-Atom wieder in seinen Ursprungszustand versetzt, sodass das π-Elektronen-System wieder größer wird (bathochromer Effekt). Auf der Stoffebene können wir daher wieder eine Farbe sehen – die Lösung erscheint violett.

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Hanne Rautenstrauch
Abb. 3 Fehling-Lösung I + Fehling-Lösung II
Nachweise mit Kupfer(II)-Ionen: Fehling- und Benedict-Probe

Die Fehling-Probe und der Benedict-Test beruhen beide auf der Reduktion von Kupfer(II)-Ionen bei gleichzeitiger Oxidation der Aldehydgruppe. Sie zeigen daher im Experiment sehr ähnliche Experimentierergebnisse.

2. Fehlingprobe

Bei der Fehlingprobe werden die beiden Nachweisreagenzien (Fehling I und Fehling II) zu einer Probenlösung (z.B. einer Glucose-Lösung) hinzugegeben. Bei Fehling I handelt es sich um eine hellblau aussehende Kupfersulfat-Lösung (Abb. 3). Fehling II ist eine farblose Lösung aus Natriumhydroxid und  Kaliumnatriumtartrat (Abb. 3).

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Hanne Rautenstrauch
Abb. 4 Versuchsergebnis der Benedict-Probe mit Glucose, Fructose und Saccharose (v.l.n.r.)

3. Benedict-Probe statt Fehling

Im Unterricht sollte die Fehling-Probe zum Nachweis der Aldehydgruppe in Zuckern jedoch nicht mehr eingesetzt werden, denn die Benedict-Probe ist aufgrund der geringeren Ätzwirkung der eingesetzten Chemikalien weniger gefährlich und zeigt dieselben Ergebnisse (Abb. 4). Zudem wird bei der Benedict-Probe nur ein Nachweisreagenz benötigt. Hierbei handelt es sich um eine Lösung aus Kupfersulfat, Trinatriumcitrat und Natriumcarbonat. Diese Lösung wird zu einer Probenlösung (z.B. einer Glucose-Lösung) hinzugegeben und anschließend wird im Wasserbad erwärmt. Eine genaue Versuchsanleitung, ein Versuchsvideo und tiefergehende Hintergründe zur stattfindenden Reaktion findest du hier.

Mit der Benedict-Probe können Alkylaldehyde hingegen nicht gleichermaßen verlässlich nachgewiesen werden, wie mit der Fehling-Probe. Möchtest du also ein Alkylaldehyd untersuchen, solltest du besser die Fehling-Probe verwenden.

 

Welche Reaktion läuft ab?
CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele
Abb. 5 Teilgleichung Oxidation der Benedict-Probe am Beispiel Glucose

Oxidation: Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass das Kohlenstoff-Atom der funktionellen Gruppe während der Reaktion Elektronen abgibt und oxidiert wird. Beim Beispiel Glucose bildet sich dabei ein Glucoson-Molekül (2-Ketoglucose, Abb. 5).  

Reduktion: Die freiwerdenden Elektronen reagieren mit den in Nachweis-Reagenz enthaltenen Kupfer-Ionen. Die Kupfer-Ionen nehmen Elektronen auf und werden zu Kupfer\(\ce{(I)}\)-oxid oder Kupfer reduziert.

Reaktionsgleichung zur Bildung elementaren Kupfers:

\(\ce{Cu^2+ + 2e^- -> Cu}\)

Reaktionsgleichung zur Bildung dunkelroten Kupfer\(\ce{(I)}\)-oxids:  

\(\ce{2Cu^2+ + 2OH^- +2e^- -> Cu_2O + H_2O}\)

 
Spezialfall Fructose

Die Fehling- oder Benedict-Probe ist zudem in der Lage, Ketone und Aldehyde voneinander zu unterscheiden. Während eine Aldehyd-Gruppe oxidiert wird, findet bei einer Keto-Gruppe in der Regel keine Oxidation statt. Es gibt aber eine Ausnahme! Die \(\ce{α}\)-Hydroxyketone, zu denen auch die Fructose gehört, weisen im Molekül benachbart zur Carbonylgruppe eine oder mehrere Hydroxy-Gruppen auf. Im alkalischen Milieu kommt es zur einer Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung, wobei Endiolat-Ionen entstehen, die ebenso reduzierend wirken können. Daher kann bei \(\ce{α}\)-Hydroxyketonen ebenfalls eine Reaktion beobachtet werden. Mehr dazu findest du im Artikel zur Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung.

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Hanne Rautenstrauch
Abb. 6 Silberspiegel im Reagenzglas

4. Die Silberspiegelprobe (Tollens-Probe)

Bei der Silberspiegelprobe, oder auch Tollens-Probe, wird eine aldehydhaltige Probe mit Silbernitrat und Ammoniak versetzt. Eine ausführliche Versuchsanleitung mit Experimentiervideo findest du hier. Diese Reaktion ist sehr aussagekräftig und hübsch anzusehen, denn am Ende der Reaktion erhältst du ein von innen verspiegeltes Reagenzglas (oder anderes Glasgerät, Abb. 6).  

Wusstest du, dass die Silberspiegelprobe daher auch gerne kurz vor Weihnachten im Unterricht eingesetzt wird, um versilberte Rundkolben herzustellen, die wie silberne Weihnachtskugeln aussehen?

Welche Reaktion läuft ab?

Bei der Reaktion nehmen die in der Silbernitrat-Lösung enthaltenen Silber-Ionen Elektronen auf und werden zu elementarem Silber reduziert. Zugleich wird das Aldehyd zu einer Carbonsäure oxidiert. Allerdings ist in der Forschung aktuell umstritten, ob tatsächlich eine Carbonsäure entsteht, oder ähnlich wie bei der Benedict-Probe im Falle von Glucose ein Glucoson (Abb. 5).

Hier siehst du noch einmal die ablaufenden Reaktionen als Gleichungen dargestellt:

Oxidation: \(\ce{R-COH + 2OH^- -> R-COOH + H_2O + 2e^-}\)

Reduktion: \(\ce{ Ag^+ + e^- -> Ag}\)

Gesamt: \(\ce{R-COH + 2OH^- + 2Ag^+ -> R-COOH + H_2O + 2 Ag}\)

5. Seliwanow-Probe

Mit der Seliwanow-Probe können Ketohexosen (wie die Fructose) und auch aus Ketohexosen aufgebaute Disaccharide (z.B. unser Haushaltszucker Saccharose oder Lactulose) nachgewiesen werden. Für die Reaktion werden (Ethyl-)Resorcin und Salzsäure benötigt. Ist eine Ketohexose vorhanden, kann eine rote Färbung beobachtet werden.  

Welche Reaktion läuft ab?

Durch das Erhitzen von Fructose mit Salzsäure wird aus dem Fructose-Molekül Wasser abgespalten (Abb. 7, oben). Dadurch bildet sich das Aldehyd Hydroxymethylfurfural. Dieses reagiert dann weiter mit dem Resorcin und Luftsauerstoff zu einem Farbstoff, welcher auf der Stoffebene für uns rot erscheint (Abb. 7, unten).

 

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele
Abb. 7 Reaktionsgleichung zur Seliwanow-Probe
Zusammenfassung

In Tabelle 1 ist noch einmal das Wichtigste zu den Nachweisen zusammengefasst.

Nachweis Farbreaktion Was kann nachgewiesen werden?

Benedict-Probe

Fehling-Probe

Orange-roter Farbumschlag durch Bildung von Kupfer/Kupfer\(\ce{(I)}\)-oxid Aldehyde und \(\ce{α}\)-Hydroxyketone (z.B. Fructose)
Silberspiegel-Probe (Tollens-Probe) Versilberung der Glasoberfläche durch Bildung elementaren Silbers Aldehyde
Schiffsche Probe Violetter Farbumschlag durch Wiederherstellung des \(\ce{π}\)-Elektronensystems Aldehyde, jedoch nicht geeignet z.B. für Aldosen (Zucker) oder aromatische Hydroxyaldehyde
Seliwanow-Probe (Seliwanoff-Probe) Roter Farbumschlag durch Bildung eines Farbstoffs Ketohexosen (z.B. Fructose) und daraus aufgebaute Disaccharide (z.B. Saccharose, Lactulose)