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Grundwissen

Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Die Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung ist ein Spezialfall der Keto-Enol-Tautomerie – es ist eine Keto-Endiol-Tautomerie.
  • Ein Endiol ist Molekül mit einer Doppelbindung zwischen zwei C-Atomen, wobei an jedes der beiden C-Atom eine Hydroxy-Gruppe gebunden ist.
  • Die Umlagerung kommt bei Kohlenhydraten im sauren oder basischen Milieu vor, wie z.B. bei der Durchführung der Benedict-Probe mit Glucose.

 

Die Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung ist ein Spezialfall der Keto-Enol-Tautomerie. Es handelt sich dabei genau genommen um eine Keto-Endiol-Tautomerie. Ein Endiol ist Molekül mit einer Doppelbindung zwischen zwei C-Atomen, wobei an jedes der beiden C-Atom eine Hydroxy-Gruppe gebunden ist (Abb. 1.1). Sie findet bei Kohlenhydraten im sauren oder basischen Milieu statt und ist eine Form der Aldose-Ketose-Isomerisierung. Doch was heißt das genau?

Stell dir vor, du bist im Labor und hast eine D-Glucose-Lösung hergestellt. Wenn du dieser Glucose-Lösung nun beispielsweise Natronlauge zufügst, findet eine Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung statt. Aus den Glucose-Molekülen (Abb. 1.2), die die Summenformel \(\ce{C_6H_12O_6}\) aufweisen, bilden sich zum Teil Fructose-Moleküle, die dieselbe Summenformel haben, aber anders aufgebaut sind (Abb. 1.3). Auf diese Weise stellt sich in deiner Lösung ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Molekülen ein, sodass sowohl D-Fructose- als auch D-Glucose-Moleküle vorliegen. Genau genommen, liegen auch noch D-Mannose-Moleküle vor (Abb. 1.4). Doch wieso ist das so und wie genau läuft diese Umlagerung ab?

Der Mechanismus

  1. Im ersten Reaktionsschritt findet eine Deprotonierung des C2-Atoms statt (Abb. 2). Das C2-Atom ist das Atom, das benachbart zur Aldehyd-Gruppe steht. Am C2-Atom kann leicht ein Proton abgespalten werden, weil die C-O-Doppelbindung durch die hohe Elektronegativität des Sauerstoff-Atoms stark polarisiert ist. Das freie Elektronenpaar des C2-Atoms klappt um und es bildet sich eine Doppelbindung zwischen dem C1- und C2-Atom aus. Das Sauerstoff-Atom der ehemaligen Aldehyd-Gruppe ist nun negativ geladen.
     
  2. Dieses negativ geladene Sauerstoff-Atom des C1-Atoms zieht ein benachbartes Proton, nämlich das der OH-Gruppe am C2-Atom zu sich. So entsteht am C1-Atom eine OH-Gruppe, während am C2-Atom nun ein einfach gebundenes, negativ geladenes Sauerstoff-Atom vorliegt.
     
  3. Ein freies Elektronenpaar des Sauerstoff-Atoms klappt um, sodass sich eine Doppelbindung zwischen dem C2-Atom und dem Sauerstoff-Atom ausbildet. Auf diese Weise bildet sich am C2-Atom eine Keto-Gruppe aus. Zugleich kommt es zur Reprotonierung am C1-Atom. Das heißt, dass das zu Beginn der Reaktion abgespaltene Proton an das C1-Atom angelagert wird. Es ist Fructose entstanden.
     
CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele
Abb. 2 Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung am Beispiel Glucose

In Abb. 3 kannst du die einzelnen Schritte des Mechanismus auch noch einmal in einer Animation nachvollziehen:

Abb. 3 Animation der Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung

Wieso liegt in der Lösung neben Glucose und Fructose auch noch Mannose vor?

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele
Abb. 4 Gleichgewicht aus Glucose (links), Fructose (mittig) und Mannose (rechts) im alkalischen Milieu

Kommen wir zurück zu unserem Beispiel aus dem Labor. Wenn zu einer Glucose-Lösung etwas Natronlauge hinzugegeben wird, liegen bei Einstellung des Gleichgewichts neben D-Fructose- und D-Glucose-Molekülen auch zu einem geringen Prozentanteil D-Mannose-Moleküle in der Lösung vor. Das Mannose-Molekül (Abb. 4, rechts) ähnelt dem Glucose-Molekül (Abb. 4, links) sehr stark. Die beiden Moleküle unterscheiden sich nur in der Stellung der OH-Gruppe am zweiten C-Atom. Sie sind also sogenannte Enantiomere. Doch wie kann es zur Bildung von Mannose-Molekülen kommen?

Zu Beginn der Reaktion befindet sich am C2-Atom ein Stereozentrum (Abb. 2). Bildet sich nun während der Umlagerung ein Endiol aus, so geht die stereochemische Anordnung der Substituenten verloren. Während der Einstellung des Gleichgewichts in der Lösung kann es jedoch jederzeit auch zu einer Rückreaktion kommen. Bei der Rückreaktion bildet sich am C2-Atom wieder ein neues Stereozentrum aus. Dabei sind zwei unterschiedliche Stellungen der Substituenten möglich, weil die C-C-Doppelbindung von beiden Seiten protoniert werden kann. Bei der Rückreaktion von dem Endiol zur Aldose können somit zwei Produkte entstehen, die sich am C2-Atom hinsichtlich der Stellung der OH-Gruppe unterscheiden. Diese beiden Produkte sind die Enantiomere D-Glucose und D-Mannose (Abb. 4).


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Wusstest du, dass die Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung ihren komplizierten Namen daher hat, da sie 1885 von den Herren Cornelis Adriaan Lobry van Troostenburg de Bruyn und Willem Alberda van Ekenstein beschrieben wurde? Manchmal wird sie auch noch länger Lobry-de-Bruyn-Alberda-van-Ekenstein-Umlagerung genannt.

Zusammenfassung

Die Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung ist eine spezielle Form einer Keto-Enol-Tautomerie. Wird einer D-Glucose-Lösung Natronlauge hinzugefügt, so bildet sich durch die Umlagerung mit der Zeit ein Gleichgewicht von D-Glucose, D-Fructose und zu einem geringen Anteil auch D-Mannose aus.

Aufgabe
Aufgabe
CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele
Abb. 5 allgemeines Aldose-Molekül

In diesem Artikel ist die Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung am Beispiel Glucose dargestellt. Doch wie sieht der Mechanismus für ein allgemeines Aldosen-Molekül, wie das in Abb. 5, aus? Zeichne deine Lösung auf.

Lösung

CC-BY-NC 4.0 / Joachim Herz Stiftung; Nadine Boele
Abb. 6 Allgemeiner Mechanismus der Lobry-de-Bruyn-van-Ekenstein-Umlagerung