Wasser kocht bei \(\ce{100\;°C}\), das weiß jedes Kind. Aber weißt du auch, bei welcher Temperatur Argon "kocht". In der Fachsprache sprechen wir hier von der Siedetemperatur. In diesem Artikel erklären wir dir, warum es unterschiedliche Siedetemperaturen gibt und welche Wechselwirkungen dabei zwischen den Molekülen herrschen.
London-Dispersions Wechselwirkungen (Van-der-Waals-Wechselwirkungen im engeren Sinne)
Zwischen allen Atomen und Molekülen herrschen Wechselwirkungen aus einer Anziehung und einem Abstoßen. Ohne diese Wechselwirkungen untereinander würden alle Stoffe gasförmig sein. Wenn du die Siedepunkte der Edelgase betrachtest (Abb. 1), erkennst du, dass selbst bei diesen Stoffen trotz der Reaktionsträgheit die Siedepunkte nicht beim absoluten Nullpunkt von \(\ce{-273,15° C}\), bzw. \(\ce{0\;K}\) liegen. Auch unpolare Atome und Moleküle, die nach außen neutral sind, bilden offensichtlich Anziehungskräfte aus, die zu einer Erhöhung der Siedepunkte führen.
Innerhalb der Atomhülle sind die Elektronen frei beweglich. Die positive Kernladung ist dagegen stationär. London-Dispersions Wechselwirkungen entstehen, wenn die Elektronen in der Atomhülle kurzzeitig nicht symmetrisch verteilt sind. Dadurch wird das Atom polarisiert. Das kann bei Atomen oder sowohl bei polaren als auch unpolaren Molekülen auftreten. Die Elektronen der Außenhülle befinden sich dann zufällig vermehrt in einem bestimmten Bereich innerhalb eines Orbitals.
Diese temporäre (= kurzfristige) Verschiebung der Schwerpunkte der positiven und der negativen Ladungen tritt immer wieder spontan auf. Dadurch entstehen eine positive und eine negative Partialladung (lat. pars = Teil). Diese bilden im Gegensatz zu den Dipol-Dipol Wechselwirkungen nur spontane Dipole, das heißt kurzzeitige Dipole. Dieses temporäre Dipolmoment beeinflusst nun Nachbarmoleküle, indem zum Beispiel die positiven Partialladungen des ursprünglichen Moleküls einen Teil der Valenzelektronen des Nachbarmoleküls anziehen und dieses Molekül dadurch ebenfalls polarisieren. Es entsteht ein induzierter Dipol (Abb. 2).
Die London-Dispersions-Wechselwirkungen sind also elektrostatische Anziehungskräfte zwischen schwachen, temporären und induzierten Dipolen und damit besonders schwache anziehende Van-der-Waals-Wechselwirkungen. Diese existieren in stärkerer Form zwischen großen, leicht polarisierbaren Molekülen, prinzipiell aber zwischen allen Teilchen, sofern sie sich sehr nahekommen.
London-Dispersions Wechselwirkungen sind die schwächsten Wechselwirkungen, die existieren. Die Stärke steigt jedoch mit zunehmender Molekülmasse und mit zunehmendem Atomradius im Molekül, weil dadurch die Bindungsfläche (= Oberfläche) größer ist.
Alkane sind Stoffe zwischen deren Molekülen nur sehr schwache London-Dispersions Wechselwirkungen ausgebildet werden können. Sie können dennoch einen sehr hohen Siedepunkt besitzen, wenn das Molekül und dessen Oberfläche sehr groß ist. Bei der homologen Reihe der Alkane führt das zu einem charakteristischen Verlauf der Siedepunkte (Abb. 3; 1=Methan, 2=Ethan, 3=Propan, 4=Butan, 5=Pentan, usw.).